Der gesetzliche Mindestlohn wurde eingeführt, um zu gewährleisten, dass in Vollzeit arbeitende Menschen von ihrem Einkommen leben können.
Von diesem profitieren vor allem Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor. Folgende Gruppen können darunter gefasst werden:
- Arbeitnehmer ohne Berufsausbildung
Wer keinen Beruf erlernt hat, musste in vielen Branchen Nachteile hinnehmen. Der größte Nachteil bestand neben kurzzeitiger Beschäftigung auch in besonders niedrigen Löhnen, die nicht zum Lebensunterhalt ausreichten. - Geringverdiener/Minijobber
Geringverdiener und Minijobber, die in Branchen arbeiteten, die sich ohnehin durch sehr geringe Stundenlöhne negativ auszeichneten, haben durch den Mindestlohn die Möglichkeit, ansatzweise angemessen bezahlt zu werden. - Arbeitnehmer mit einer einfachen Tätigkeit, die nicht in ihrem erlernten Beruf tätig sind
Wer bisher ungelernt einen neuen Beruf aufnahm, wurde unter Tarif mit sehr niedrigen Löhnen bezahlt. Der Mindestlohn setzt auch an dieser Stelle eine Untergrenze und soll Nachteile ausgleichen, die für „Ungelernte“ bei der Jobannahme entstehen können. - Arbeitnehmer in der Landwirtschaft und im Dienstleistungssektor
Ob als Kellner in der Bar, Spüler in der Küche oder Erntehelfer auf dem Feld: Arbeitnehmer in der Landwirtschaft und im Dienstleistungssektor wurden traditionell sehr schlecht bezahlt. Die Stundenlöhne waren häufig so niedrig, dass auch eine Vollzeitstelle nicht ausreichte, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Mindestlohn soll an dieser Stelle Abhilfe schaffen. - Arbeitnehmer ohne Schulabschluss
Wer ohne Schulabschluss in die Berufswelt einsteigt, musste bisher häufig mit sehr niedrig entlohnten Hilfsarbeiten vorliebnehmen. Der Mindestlohn garantiert nun eine gesetzliche Untergrenze für die Bezahlung.
Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn
Nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat die Bundesregierung einige Ausnahmen definiert, für die das Mindestlohngesetz nicht gilt. Mitunter sind Auszubildende, Pflichtpraktikanten, Freiberufler, Selbstständige, Langzeitarbeitslose, Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Ausbildung sowie Mitarbeitende, die sich ehrenamtlich betätigen, vom gesetzlichen Mindestlohn ausgenommen:
- Freiwillige Praktika unter drei Monaten
Wird freiwillig ein Praktikum aufgenommen, das weniger als drei Monate dauert, ist die Beschäftigung vom Mindestlohn ausgeschlossen. - Kinder und Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung
Wenn Jugendliche oder Kinder jobben, muss kein Mindestlohn gezahlt werden. Dies gilt zum Beispiel für beliebte Schülerjobs wie Babysitter oder Zeitungsausträger. - Auszubildende
Das Ausbildungsentgelt fällt nicht unter die Regelungen des Mindestlohngesetzes. - Ehrenamtliche Tätige
Wer ehrenamtlich als Trainer oder Mitglied eines Vereins arbeitet, wird dafür nicht nach Mindestlohn bezahlt. Der Gesetzgeber geht beim Ehrenamt davon aus, dass bei der angenommenen Arbeit nicht der finanzielle Aspekt, sondern der gesellschaftliche Nutzen im Vordergrund steht. - Langzeitarbeitslose
Nehmen Langzeitarbeitslose, die länger als ein Jahr ohne Job waren, eine Beschäftigung auf, dürfen deren Arbeitgeber bis zu sechs Monate lang weniger als den gesetzlichen Mindestlohn bezahlen. Erst über diesen Zeitraum hinaus wird der Mindestlohn fällig. - Kurzfristig Beschäftigte
Wer nur kurzfristige Arbeiten aufnimmt, hat keinen Anspruch auf die Zahlung des Mindestlohns. - Pflichtpraktika
Verpflichtende Praktika im Rahmen einer Berufsausbildung oder eines Studiums sind nicht vom Mindestlohngesetz gedeckt. - Vertragsamateure
Wer als Vertragsamateur in einem Verein spielt, hat keinen Anspruch auf die Zahlung des Mindestlohns. - Strafgefangene
Für die Arbeit von Strafgefangenen in den Programmen der Justizvollzugsanstalten müssen die Arbeitgeber keine Mindestlöhne zahlen. - Behinderte Beschäftigte in entsprechenden Werkstätten
Behindertenwerkstätten müssen Ihre gehandicapten Mitarbeiter nicht nach dem Mindestlohngesetz entlohnen.
Mindestlohn bei längerem Praktikum
Dauert ein ausbildungs- oder studienbegleitendes Praktikum länger als drei Monate, gilt der gesetzliche Mindestlohn ab dem ersten Tag des Praktikums.
Keine Anwendung bei Selbständigkeit
Die gesetzliche Lohnuntergrenze gilt nicht für Selbständige. So hat eine Reinigungskraft, die auf Honorarbasis arbeitet, kein Recht auf die Zahlung des Mindestlohns durch ihren Auftraggeber.
Gewerbetreibenden oder Freiberuflern muss ihr Arbeitsaufwand demnach nicht in Höhe des Mindestlohns vergütet werden, da diese nicht als Arbeitnehmer gelten.
Ablauf der Einführung
Der gesetzliche Mindestlohn wurde in Deutschland am 1. Januar 2015 branchenweit eingeführt. Seit 1. Januar 2017 beträgt er 8,84 Euro. Allerdings hat der Gesetzgeber einige Ausnahmen sowie Übergangsfristen für einzelne Branchen definiert, welche die Einführung schrittweise erfolgen lassen. Sofern bereits Mindestlöhne in einer Branche definiert wurden, die über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen, werden die Lohnzahlungen in diesen Branchen nicht durch den gesetzlichen Mindestlohn ersetzt.
Vorgesehen ist eine regelmäßige Evaluierung des Mindestlohngesetzes, die in den Kommissionen diskutiert wird. So ist in der Zukunft eine weitere Zusammenkunft von Tarifpartnern im Juni 2017 geplant, die über die Höhe des Mindestlohns entscheiden soll, der dann ab dem 1. Januar 2018 gilt.
Übergangsfristen
Durch Tarifverträge waren auf Branchenebene Abweichungen vom Mindestlohn bis zum 31. Dezember 2016 zulässig. Seit dem 1. Januar 2017 gilt das bundesweite gesetzliche Mindestlohnniveau ohne Einschränkungen.
Mindestlohn weltweit
Weltweit gibt es viele Länder mit einem gesetzlichen Mindestlohn. Den aktuell höchsten Mindestlohn weltweit hat Australien mit umgerechnet 11,89 Euro. In Nordamerika wird ebenfalls schon seit vielen Jahren ein Mindestlohn ausgewiesen. Allerdings ist die gesetzlich vorgeschriebene Höhe mit umgerechnet 7,65 Euro in Kanada und 6,55 Euro in den USA niedriger als in Deutschland.
In Europa belegt Deutschland den sechsten Platz (Stand: Januar 2017). An der Spitze steht Luxemburg mit 11,27 Euro gesetzlich vorgeschriebener Lohnuntergrenze, gefolgt von Frankreich mit 9,76 Euro. In den Niederlanden liegt die Untergrenze bei 9,52 Euro, in Belgien bei 9,28 Euro und in Irland bei 9,25 Euro.
In Deutschland (Mindestlohn: 8,84 Euro) sollte man bedenken, dass Mindestlohnempfänger von einem günstigen Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten profitieren, die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel Frankreich deutlich niedriger sind.
Mit 1,42 Euro hat Bulgarien den niedrigsten Mindestlohn innerhalb der EU.
Kritik am gesetzlichen Mindestlohn
Auch wenn die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns dazu gedacht war, Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor zu begünstigen, bringt das Gesetz auch zahlreiche Nachteile mit sich. Somit gibt es auch reichlich Kritik am Mindeststundenlohn:
- Arbeitnehmer werden bevorzugt als Minijobber beschäftigt, um die Abgaben geringer zu halten
Viele Unternehmen stellen Arbeitnehmer nur als Minijobber ein. Auf diese Weise können sie den Mindestlohn umgehen. - Keine Beachtung der regionalen Unterschiede des realen Einkommens
In Deutschland liegen die Lebenshaltungskosten je nach Region auf ganz unterschiedlichen Niveaus. So macht es zum Beispiel einen großen Unterschied, ob ein Arbeitnehmer in Berlin oder in München beschäftigt ist. Der Mindestlohn berücksichtigt diese regionalen Einkommensunterschiede nicht. Wer den Mindestlohn in einem Bundesland mit sehr hohem Einkommensniveau erhält, profitiert kaum davon. - Beschäftigungseinbußen
Viele Arbeitnehmer kürzen die Arbeitszeit der nach Mindestlohn bezahlten Mitarbeiter, um dafür neue Minijobs zu schaffen, die vom Mindestlohngesetz befreit sind. Auf diese Weise haben Arbeitnehmer Beschäftigungseinbußen und erhalten insgesamt nicht mehr Lohn als vorher, da sie weniger Stunden arbeiten. - Unternehmen suchen nach Lücken
Freiwillige Praktika werden nach der Einführung des Mindestlohns meist auf drei Monate beschränkt, um der Zahlung eines Mindestlohns zu entgehen. - Verteuerung von Waren oder Dienstleistungen
Sektoren wie die Landwirtschaft oder Industrie, die bei der Produktion besonders von Dumpingpreisen profitiert haben, führen als Kritik an, dass deren Produkte teurer werden. Eine endgültige Auswertung steht jedoch noch aus.