Berufsunfähigkeit: Das müssen Sie jetzt wissen

Jeder vierte Erwerbstätige in Deutschland wird laut Informationen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherer (GDV) im Laufe seines Arbeitslebens berufsunfähig. Das bedeutet, dass er seinen erlernten Beruf aufgrund von Krankheit oder durch einen Unfall langfristig nicht mehr ausüben kann. In den meisten Fällen kehren Berufsunfähige nie wieder in ihren Job zurück.

Elisabeth Schwarzbauer

Autorin für Versicherungsthemen


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Zuletzt aktualisiert: April 27, 2023

Author Elisabeth Schwarzbauer

Elisabeth Schwarzbauer

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Elisabeth ist studierte Physikerin, verantwortet bei uns die Versicherungsthemen und hilft Ihnen Ihr bestes Angebot zu finden. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit Ihrer Familie oder mit einem Buch auf der Terrasse (wenn es das Wetter ermöglicht).

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Inhaltsverzeichnis
     

    Gefährdete Berufsgruppen

    Einige Berufe sind besonders gefährdet, von Berufsunfähigkeit betroffen zu werden.

    Berufe, die ein hohes Berufsunfähigkeitsrisiko tragen sind unter anderem:

    • Gerüstbauer
    • Krankenpfleger
    • Dachdecker
    • Bergleute
    • Pflasterer
    • Fleisch / Wurstwarenhersteller
    • Estrichleger
    • Fliesenleger
    • Zimmerer
    • Maurer
    • Stukkateure und Verputzer
    • Sprengmeister
    • Isolierer
    • sonstige Bauhilfsarbeiter
    • Bäcker
    • Stauer

    Aber auch Sozialarbeiter haben ein erhöhtes Risiko, berufsunfähig zu werden, da sie in ihrem Alltag auch psychisch stark gefordert werden. Gering ist das Risiko hingegen bei Ärzten, Ingenieuren und allgemein bei Menschen, die vor allem am Schreibtisch tätig sind. Maurer und Maler arbeiten mit einem hohen Berufsunfähigkeitsrisiko von circa 50 Prozent, bei Apothekern und Ärzten ist es mit circa 6 Prozent hingegen sehr niedrig. Im Mittelfeld liegen zum Beispiel Steuerberater und Lehrer.

    Mittlerweile sind psychische Erkrankungen mit über 30 Prozent die mit Abstand häufigste Ursache für Berufsunfähigkeit, gefolgt von Erkrankungen des Bewegungsapparats, meist Rückenbeschwerden. Unfälle machen hingegen nur unter 10 Prozent aus.

    Unterschiede: Berufsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit

    Wenn Sie sich zum Thema Berufsunfähigkeit informieren, haben Sie mit zahlreichen unterschiedlichen Begriffen zu kämpfen. Um diese besser zuordnen und verstehen zu können, geben wir Ihnen nachfolgend Erläuterungen zu den einzelnen Begriffen.

    Erwerbsunfähigkeit

    Abzugrenzen ist die Berufsunfähigkeit von der Erwerbsunfähigkeit: Berufsunfähigkeit bedeutet, dass eine Person nicht mehr in ihrem erlernten Beruf arbeiten kann, aber grundsätzlich noch anderen Tätigkeiten nachgehen könnte. Wer erwerbsunfähig ist, kann überhaupt keiner Erwerbsarbeit mehr leisten.

    Als voll erwerbsunfähig gelten demnach Personen, die nicht in der Lage sind, wenigstens 3 Stunden pro Tag zu arbeiten. Kann ein Arbeitnehmer jedoch eine Arbeitszeit von mindestens 3, aber nicht mehr als 6 Stunden täglich leisten, wird von einer teilweise Erwerbsunfähigkeit gesprochen.

    Zum Beispiel kann ein Maurer nach einem Bandscheibenvorfall seinen Beruf nicht mehr ausüben. Er könnte aber als Fachverkäufer in einem Baumarkt arbeiten und ist deshalb nicht erwerbsunfähig. Sowohl Berufsunfähigkeit als auch Erwerbsunfähigkeit müssen ärztlich bestätigt werden.

    Arbeitsunfähigkeit

    Arbeitsunfähigkeit bedeutet hingegen schlicht, dass Sie gerade nicht arbeiten können, was auch im Fall einer dreitägigen Erkältung gilt. Als arbeitsunfähig gilt demnach, wer krank ist und seinen vertraglich vereinbarten beruflichen Tätigkeiten vorübergehend nicht nachkommen kann. Ursache hierfür können physische oder psychische Erkrankungen oder auch Unfallfolgen sein.

    Bei längeren Erkrankungen erhalten Sie sechs Wochen lang eine Lohnfortzahlung von Ihrem Arbeitgeber, danach haben Sie Anspruch auf Krankengeld, das von der Krankenkasse gezahlt wird.

    Antrag auf Erwerbsminderungsrente

    Wenn Sie berufsunfähig werden, müssen Sie zunächst einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung stellen. Besitzen Sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung muss der Versicherungsanbieter natürlich ebenfalls informiert werden.

    Die Berufsunfähigkeit muss von einem Arzt bestätigt werden. Er gibt außerdem an, in welchem Umfang dies der Fall ist. Ab einer Minderung Ihrer Arbeitsfähigkeit um 50 Prozent haben Sie Anspruch auf eine gesetzliche Rente. Fügen Sie dem Antrag direkt Kopien aller möglicherweise relevanten Unterlagen bei.

    Vor allem Berichte Ihrer behandelnden Ärzte und eine genaue Beschreibung Ihrer beruflichen Tätigkeit sind wichtig, damit eingeschätzt werden kann, in welchem Umfang Sie berufsunfähig sind und ob Sie Anspruch auf staatliche Rentenzahlungen haben.

    Staatlichen Leistungen

    Bis 2001 gab es eine gesetzliche Berufsunfähigkeitsrente, die Arbeitnehmern, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, immer noch zusteht. Sie beträgt zwei Drittel der Erwerbsminderungsrente. Für später Geborene gibt es nur noch die staatliche Erwerbsminderungsrente. Voll berechtigt sind Personen, die nur noch maximal drei Stunden täglich arbeitsfähig sind.

    Sie erhalten allerdings nur 30 Prozent ihres vorherigen Bruttolohns. Bei einer möglichen Arbeitsleistung von drei bis sechs Stunden liegt eine teilweise Erwerbsminderung vor, Betroffene erhalten in diesem Fall nur 15 Prozent des zuvor gezahlten Bruttolohns als Erwerbsminderungsrente.

    Das bedeutet: Solange es noch eine Tätigkeit gibt, die Sie sechs Stunden lang pro Tag ausüben können, erhalten Sie keine Erwerbsminderungsrente. Wer als Berufsanfänger noch weniger als fünf Jahre lang in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt hat, erhält diese Rente nicht, gleiches gilt für Selbstständige.

    Aufgrund dieser geringen staatlichen Leistungen entscheiden sich viele Erwerbstätige für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Liegt diese nicht vor, bleibt nur noch die Absicherung über staatliche Grundsicherung und der Lebensstandard muss erheblich eingeschränkt werden.

    Erlaubte Nebentätigkeiten

    Auch wenn Sie eine Erwerbsminderungsrente beziehen, können Sie noch einigen Tätigkeiten nachgehen und bis zu einer gewissen Grenze Geld hinzuverdienen. Bei voller Erwerbsminderung dürfen Sie bis zu 450 Euro monatlich verdienen und damit einem Minijob nachgehen. Auch kommunale Ehrenämter mit Aufwandsentschädigung oder die Arbeit in einer Behindertenwerkstatt sind möglich.

    Vorsorge: Berufsunfähigkeitsversicherung

    Die Berufsunfähigkeit bedeutet für alle Menschen, die nicht durch beträchtliche Rücklagen oder ihre Familie abgesichert sind, einen tiefen Einschnitt und große finanzielle Probleme. Mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung können Sie vorsorgen und sich rechtzeitig absichern. Obwohl diese Police im Grunde genauso wichtig ist wie eine Haftpflichtversicherung, besitzen von 42 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland nur 17 Millionen eine.

    Leistungen der Berufsunfähigkeitsversicherung

    Die Versicherung zahlt Ihnen im Falle einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent eine vertraglich vereinbarte monatliche Rente, die unabhängig von Ihrem vorherigen Gehalt ist. Sie greift, sobald Sie berufsunfähig sind, und nicht erst bei Erwerbsunfähigkeit. Also sind Sie nicht gezwungen, in einer anderen Tätigkeit nachzugehen, die Sie trotz Berufsunfähigkeit noch ausüben können.

    Wer sollte sie abschließen?

    Eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist für alle Personen sinnvoll, die ihren Lebensunterhalt durch eine Erwerbstätigkeit bestreiten. Gerade wenn Sie nach dem 1. Januar 1961 geboren sind und nur die Erwerbsminderungsrente erhalten würden, sollten Sie eine abschließen.

    Aber auch für Berufsanfänger oder Selbstständige ist sie besonders wichtig, weil sie erst seit Kurzem beziehungsweise überhaupt nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Hausfrauen können ebenfalls eine solche Versicherung abschließen, da sie eine Haushaltshilfe und eventuell ein Kindermädchen einstellen müssten, wenn sie ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben könnten.

    Versicherungen für Beamte müssen besondere Kriterien erfüllen, sie benötigen daher eine sogenannte Dienstunfähigkeitsversicherung.

    Kosten der Berufsunfähigkeitsversicherung

    Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, weil die Höhe der Beiträge von vielen Faktoren abhängig ist. Ihr Eintrittsalter und Ihr aktueller Gesundheitszustand sind maßgeblich, ebenso Ihre berufliche Tätigkeit und die von Ihnen gewünschte Höhe der monatlichen Rente.

    Die Kosten für einzelne Berufsgruppen können demnach sehr unterschiedlich ausfallen:

    • Für einen 25-jährigen Studenten mit einer BU-Rente von 1.400 Euro bis zum 65. Lebensjahr ist eine BU-Versicherung ab etwa 40 Euro pro Monat erhältlich
    • Für einen 32-jährigen Einzelhandelskaufmann mit einer BU-Rente von 1.500 Euro bis zum 65. Lebensjahr kostet eine BU-Versicherung ca. 50 Euro monatlich.
    • Für einen 37-jährigen Lehrer mit einer BU-Rente von 1.500 Euro bis zum 65. Lebensjahr ist eine BU-Versicherung ab ca. 60 Euro pro Monat erhältlich.

    Möglichst früh vorsorgen

    Es empfiehlt sich, möglichst früh eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen, also im Idealfall mit dem Eintritt ins Berufsleben oder auch früher. Auch junge Menschen können berufsunfähig werden und sind dann nicht geschützt. Außerdem führen Vorerkrankungen dazu, dass Sie höhere Beiträge zahlen müssen oder im schlimmsten Fall gar keine Police erhalten. Je gesünder Sie also beim Abschluss sind, desto günstiger sind die Konditionen.

    Die Gesundheitsprüfung ernst nehmen

    Vor dem Abschluss der Versicherung müssen Sie die Gesundheitsprüfung ausfüllen – einen Bogen, in dem Sie sämtliche Vorerkrankungen angeben. Bei chronischen Krankheiten, Allergien oder einer Psychotherapie in den vergangenen fünf Jahren ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie keine Police erhalten.

    Trotzdem sollten Sie die Fragen genau und wahrheitsgemäß beantworten: Die Versicherung kann Einsicht in Ihre Krankenakten nehmen und die Zahlung einer Rente verweigern, wenn Sie Vorerkrankungen verschwiegen haben. Lassen Sie sich im Zweifelsfall beim Ausfüllen von Ihrem Arzt beraten.

    Rente nicht zu niedrig ansetzen

    Gerade wenn Sie die Versicherung früh abschließen, besteht die Gefahr, dass Sie die vereinbarte Rente zu niedrig ansetzen. Ihr finanzieller Bedarf ist noch gering und Sie können nicht einschätzen, welche Kosten durch Familiengründung oder Immobilienkauf noch auf Sie zukommen werden. Als erste Orientierung können Sie Ihre monatlichen Ausgaben auflisten. Diese Summe bildet das absolute Minimum, das Sie mit der Versicherung vereinbaren sollten.

    Nachversicherungsrecht und Dynamisierung

    Wenn Sie sich nicht frühzeitig auf eine Rentensumme festlegen wollen, können Sie eine Dynamisierung der Beiträge wählen. Dabei zahlen Sie nach und nach höhere Beiträge und erhöhen damit auch Ihre potenzielle Rente. Das Nachversicherungsrecht gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihre Beiträge später nach Bedarf anzupassen und damit auf konkrete Ereignisse einzugehen, die eine höhere Rente erforderlich machen, zum Beispiel eine Heirat oder die Geburt eines Kindes.

    Rechtsschutzversicherung kann vor unangenehmen Überraschungen schützen

    Auch wenn Sie über eine Versicherung verfügen, ist es nicht immer gewährleistet, dass Sie im Ernstfall auch geschützt sind. Möglicherweise wird angezweifelt, ob Sie wirklich zu 50 Prozent berufsunfähig sind, und der Versicherer verweigert die Zahlung. Im Falle eines Gerichtsverfahrens deckt eine Rechtsschutzversicherung die Anwalts- und Gerichtskosten.

    Idealerweise schließen Sie die Rechtsschutzversicherung drei Monate vor der Berufsunfähigkeitsversicherung und bei einem anderen Anbieter ab. So stellen sich sicher, dass die Rechtsschutzversicherung im Streitfall in Ihrem Interesse handelt und nicht in dem des Versicherungskonzerns.

    Ablehnungsgründe und Leistungsquoten

    Von den eingereichten Anträgen werden circa 30 Prozent abgelehnt. Die Gründe sind meist, dass die Kunden sich nicht mehr melden oder dass keine Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent vorliegt. Die Leistungsquoten der Versicherer sind sehr unterschiedlich: Sie liegen zwischen 30 und 90 Prozent, sodass sich ein Vergleich und ausführliches Informieren im Vorfeld lohnt.

    Alternativen zur Berufsunfähigkeitsversicherung

    Wenn Sie einen Beruf mit einem erhöhten Risiko ausüben oder aufgrund von Vorerkrankungen keine Berufsunfähigkeitsversicherung erhalten, können Sie sich nach einer Alternative umsehen.

    Folgende Versicherungen bieten sich in diesem Fall an:

    Erwerbsunfähigkeitsversicherung
    Die Beiträge liegen unter denen der Berufsunfähigkeitsversicherung, allerdings sind Sie – wie bei der Erwerbsminderungsrente – auch nur dann geschützt, wenn Sie erwerbsunfähig werden.

    Dread Disease Versicherung
    Hier erhalten Sie eine einmalige Zahlung und keine monatliche Rente. Diese Versicherung wird gegen bestimmte schwere Krankheiten wie zum Beispiel Krebs abgeschlossen. Sie erhalten die Zahlung nur, wenn Ihre Erkrankung auf der Liste steht. Psychische Leiden gehören nicht dazu.

    Multi-Risk-Versicherung
    Wenn Sie erwerbsunfähig werden, erhalten Sie eine monatliche Rente. Die Beiträge sind niedriger als in der Berufsunfähigkeitsversicherung, allerdings sind auch hier psychische Krankheiten nicht abgedeckt. Das Besondere an dieser Versicherung ist, dass besonders auf die jeweiligen Risiken Ihrer Branche eingegangen wird und Sie für diese Fälle versichert sind.

    Grundfähigkeitsversicherung
    Diese Versicherung zahlt Ihnen eine monatliche Rente aus, wenn Sie bestimmte definierte Grundfähigkeiten wie Sehen, Sprechen oder Gehen verlieren.

    Blick ins Ausland: Berufsunfähigkeit in den USA

    Im Vergleich mit den USA zeigt sich, dass dort ebenfalls circa 25 Prozent der Erwerbstätigen berufsunfähig werden. Dort sind die Gründe allerdings mit fast 30 Prozent Erkrankungen und Behinderungen des Bewegungsapparats, mit 15 Prozent Krebserkrankungen und mit 10 Prozent Unfälle. Psychische Erkrankungen, die in Deutschland am häufigsten sind, liegen bei unter 9 Prozent.

    Die staatliche Absicherung in den USA ist mit der deutschen Erwerbsminderungsrente vergleichbar: Sie wird nur an Personen gezahlt, die lange genug in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet haben und die überhaupt keiner Arbeit mehr nachgehen können. Die häufigste Form der individuellen Absicherung ist in den USA die Dread Disease Versicherung, die keine psychischen Erkrankungen abdeckt.

    Es liegt also nahe, dass der Anteil deshalb so niedrig ist, weil Berufsunfähige dort oft mit psychischen Problemen wie dem Burnout-Syndrom weiterhin arbeiten, weil sie aufgrund der fehlenden Absicherung keine andere Wahl haben.

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